Liebe und Freude sind die Prinzipien, die immer in der Erziehung vorhanden sein sollten.
Im ersten Jahrsiebt sind sie besonders wichtig.
Rudolf Steiner
Das Kind in den ersten sieben Lebensjahren ist nach Rudolf Steiner ein Sinneswesen. Es braucht vielfältigste Sinneseindrücke, um seine Fähigkeiten zu entwickeln.
Dies geschieht vor Allem durch Nachahmung. Alles was das Kind nachahmenswert findet, verarbeitet es im Spiel. Das Spiel ist die Tätigkeit des Kindes.
In der Waldorfpädagogik sind wir bemüht, dem Kind Vorbilder für vielfältigste Tätigkeiten anzubieten, damit es sich diese sinnerfüllten Tätigkeiten im phantasievollen freien Spiel aneignen kann. Dies fördert Sprache, Motorik, Denken.
Der Ausbildung der Sinne kommt in der Waldorfpädagogik ein hoher Stellenwert zu.
Rudolf Steiner unterscheidet 12 Sinne. Wobei die gute Ausbildung der Basissinne erst die Entwicklung höherer sozialer Sinne, wie z.B. die Empathie, den Sinn für den Anderen, ermöglicht.
Die Basissinne, die im ersten Jahrsiebt besonders angesprochen werden sind:
Der Tastsinn – er gibt uns einen Eindruck davon, wo unser Körper aufhört und etwas anderes anfängt. Die gute Ausbildung dieses Sinnes hilft uns auch später das rechte Maß von Nähe und Distanz zu finden.
Der Bewegungssinn – dieser läßt uns im Verein mit dem Tastsinn die Art der Oberflächen spüren. Uns ist es wichtig, daß das Kind sich auf seine Sinne verlassen kann. Das heißt, ein Tisch, der wie aus Holz aussieht, faßt sich auch so an und ist so schwer...er ist kein Imitat aus Kunststoff. Der Bewegungssinn vermittelt mir auch, in welcher Lage ich mich befinde.
Der Gleichgewichtssinn – er sorgt dafür, daß wir körperlich, sowie auch emotional unsere Mitte finden und auch bei Schwankungen aufrecht stehen bleiben. Das will geübt werden. Beim Kind durch Balancieren, schaukeln, wiegen 0.ä.
Der Lebenssinn – er vermittelt uns, wie wir uns befinden. Bei dem Kind soll Wohlbehagen vorherrschen. Dadurch daß das Kind ganz Sinneswesen ist (Steiner gibt das Beispiel, das ein Säugling die Muttermilch bis in die Zehen schmeckt), ist gerade dieser Sinn wichtig für die gesunde Ausbildung des Körpers und seiner Organe.
Rudolf Steiner teilt die Entwicklung des Menschen in Lebensjahrsiebte ein. Alle sieben Jahre beginnt ein neuer Abschnitt in der Entwicklung. Im ersten Jahrsiebt gestaltet das Kind den von den Eltern ererbten Körper zu seinem eigenen um. Dieser Prozeß endet mit dem Zahnwechsel.
Nach Steiner bringt jedes Kind seinen inneren Lebensplan mit, in dem festgeschrieben steht, was es in diesem Leben lernen will, d.h. was es braucht um seinen Entwicklungsweg weiter zu verfolgen. Dies ist ganz individuell. Für uns Pädagogen bedeutet dies, daß wir uns als Begleiter und individueller Förderer des Weges des Kindes begreifen. Unsere Frage lautet stets: wo willst du hin, wie kann ich dich auf deinem Weg unterstützen und fördern.
Der äußere Rahmen, der alles zusammenfasst und die nötige Orientierung gibt, sind der Rhythmus und die Wiederholung. Beides gibt dem Kind Sicherheit, es kennt sich aus:
nach dem Freispiel kommt das Aufräumen, dann essen wir…Nach dem Erntereigen fangen wir an, Laternen zu basteln, dann kommen die Zwerge und das geliebte „Nikolo Bumm Bumm“…
Die Kinder wissen, Heute gibt es Gerste, da kommt die Michaela(die Eurhythmistin)…Bald ist Frühling, da singen wir wieder das Lied vom Schneeglöckchen...
Dieser Rhythmus des sich Wiederholenden zieht sich durch den Tag, die Woche, das Jahr. Lieder, Fingerspiele und Reigen werden ca. 3 Wochen durchgängig mit kleinen Veränderungen oder Erweiterungen angeboten, da sie erst dann, wie Steiner sagt, tiefer einverleibt werden.
Allerdings soll dieser Rhythmus ein Dreigliedriger sein, im Gegensatz zu dem des Metrum, welcher Zweigliedrig ist. Das heißt, unser Rhythmus heißt nicht 10.30 Uhr aufräumen. 10.45 Uhr essen. Wir wollen vielmehr in einem Rhythmus schwingen, der dem des Atmens gleichkommt. Es wechseln sich Phasen der Aktivität mit denen der Ruhe ab.
„Wir sind geboren aus einer Welt von Rhythmen. In unserem Organismus leben und weben rhythmische Prozesse. Unsere Seele verlangt nach diesen sich ähnlichen, gleichförmigen, sich wandelnden Bewegungen. Unser Wille erlahmt, wenn sie nicht da sind, er wird getragen, gestärkt, wenn er verwandte Rhythmen spürt.“ (Werner Kuhfuß)
In diesen atmenden Rhythmus sind die Aktivitäten eingebettet, die Tätigkeiten im Jahreslauf, die wir Pädagogen während des Vormittags ausführen und die die Kinder nachahmen indem sie mitmachen oder die Tätigkeit im freien Spiel nachahmen.
Damit die Tätigkeit zum Mitmachen oder Nachahmen anregt, muß sie Voraussetzungen erfüllen.
Vor Allem müssen wir die Tätigkeit mit Liebe ausführen. Wir müssen uns mit der Tätigkeit verbinden. Will ich unbedingt fertig werden, arbeite ich also zielorientiert, werde ich keine schaffige Atmosphäre verbreiten.
Die Arbeitsabläufe müssen durchschaubar sein, damit das Kind sie nachahmen kann, wenn ich etwas erklären muß, habe ich mir ein Bild dafür überlegt.
Die Tätigkeit kann mit Gesang oder rhythmischem Sprechen begleitet werden. „Wer will mit mir Wolle wickeln und den Faden nicht verzwickeln...diese Sprüche und Reime können die Kinder bald auswendig, so wird mit der Motorik auch die Sprache gebildet und der Seele tut es auch gut. Es entsteht immer wieder der Eindruck, daß sich die Kinder in so einer fröhlich-emsigen und freilassenden Tätigkeitsathmosphäre wohl und geborgen fühlen.
Hier ein kleiner Überblick der möglichen Tätigkeiten, die wir im Jahreslauf mit den Kindern ausführen können:
In der Wiegenstube findet dies dem Alter und Entwicklungsstand der jüngeren Kinder entsprechend statt.
Werte, die wir vermitteln wollen sind unter Anderem auch die Achtung vor der Schöpfung.
Das kleine Kind bringt eine natürliche Andächtigkeit mit, die wir bewahren wollen. So durchzieht alle Lieder und Reime eine Verbundenheit mit der Umgebung und eine kindgemäße Spiritualität.
Auf diese Weise, wie auch durch die Bilder, die Raumgestaltung, das appetitlich hergerichtete biologische Essen erhalten die Kinder Anreize, die in ihnen den Sinn für das Schöne und Gute wecken.
Die starke Verbundenheit mit der Natur, die wir als beste Grundlage für ein seelisch und körperlich gesundes Erwachsenenleben erachten, pflegen wir durch täglichen Aufenthalt im Freien bei jedem Wetter. In der Kindergartengruppe zusätzlich durch den wöchentlichen Waldtag.
Bei der religiösen Erziehung der Kinder legen wir die christlichen Grundwerte unserer Kultur zugrunde und sind bemüht, eine übergeordnete Religiosität zu vermitteln mit dem Schwerpunkt bei den Kindern Achtung vor allem Leben zu wecken und den Sinn für das Höhere wach zu halten.
Unser Bildungsziel ist Unabhängigkeit im Denken, Fühlen und Wollen.
Um das zu gewährleisten ist es unser Anliegen, das Kind vor Verfrühung zu schützen.
Seine Kindheit bewahren bedeutet auch, es nicht zu früh intellektuell anzusprechen; heißt, es vor Digitalisierung zu bewahren, da wir überzeugt sind, es entwickelt sich durch viele und vielfältige Sinneseindrücke am Besten, digitale Medien sprechen maximal zwei Sinne an. Das Kind hat den Inhalten der Medien noch kein Urteilsvermögen entgegenzusetzen und damit keine Auswahlmöglichkeit, es ahmt in jedem Falle alles nach, was es da sieht.
Auch den Bio-Rhythmus gilt es zu schützen. Kinder mit einem Jahr werden schon aus ihrem natürlichen Schlafrhythmus geholt, weil sie sich den Rhythmen der Wirtschaft anpassen müssen. Aus diesem Grunde sind auch unsere Öffnungszeiten eine Balance zwischen den Anliegen der Gesellschaft und den Bedürfnissen der Kinder.
„Nimm ein Kind an die Hand und laß dich von ihm führen.
Betrachte die Steine, die es aufhebt und höre zu, was es dir erzählt.
Zur Belohnung zeigt es dir eine Welt,
die du längst vergessen hast.“
Werner Bethmann